eine Seuche, deren Erreger überall sitzen.
W er allerdings die V erluste im Blick hat,
die im m er auftreten, ganz egal, was m an
tut, u n d um sichtig arbeitet, kan n h o ch -
wertige Ergebnisse erzielen. Letztlich fällt
das O hr die Entscheidung.
I
A llg e m e in g esp ro ch en h a b en w ir den
Eindruck, dass die großen M usikkonzerne
frü h e r m eh r klanglich bestech en de A u f-
nahm en lieferten, w äh ren d das heute eher
zu m M e tie r a u d io p h iler L abel gew orden
ist, d ie g leich zeitig ein e p a ra llele M u sik -
sp a rte e ta b lie rt h aben .
D a ist was dran! W ir betreuen ja seit Jahr-
zehnten die A ufnahm en u n d M ixe von
L ieferanten je d er C o u leu r u n d G rö ß e
und beobachten Ähnliches. Als die Frage
aufcam : „B ekom m t m eine Platte g en ü -
gend A ufm erksam keit“, bog der Zug in
die falsche R ichtung ab. D a begann der
Lautheitskrieg, der bis zum Exzess ausge-
fochten w ird und m ich wie viele Kollegen
in höchstem M aß besorgt. D en n er geht
zu Lasten der M usikalität. Es ist einfach
nicht befriedigend auf solch billige Effekte
hinzuw irken.
I
F ühlt m an sich in solchen Fällen w ie ein
K antinenkoch, der je d e m G ericht dieselbe
Soße übergießt?
D as k an n passieren. Es ist ein Teil der
A rbeit, weil w ir leider oft auch kom m er-
ziellen A spekten folgen m üssen. Je nach
A uftraggeber u n d M usikstil h ab en w ir
m an ch m al D inge zu tu n , die w ir ü b e r-
h au p t nicht wollen. D ann erledigen wir
sie in einer A rt, dass es sich an h ö rt, als
ob w ir’s nicht getan hätten und versuchen
etwas davon zu erhalten, was die M usik
sein könnte ohne all die M anipulationen,
die notw endig sind, um die Plattenfirm en
Links kontrolliert der Meister per Mikroskop, ob
die Rille in der Lackfolie (o.) perfekt ist
oder P rom otoren oder einfach jene Leute
zufriedenzustellen, die alles laut h aben
wollen. Ich verm eide allzu viel Processing,
u m n ich t übers Ziel hinauszuschießen.
U nser A uftrag ist und m uss sein, konkur-
renzfähig u n d laut zu sein u n d dennoch
ein hohes M aß an Q ualität zu bieten.
I
P rotestieren denn da d ie M u sik er nicht,
wenn ihr W erk dynam isch „plattgem ach t“
w erd en soll?
G uter Punkt! Jetzt erzähle ich m al, w ie’s
leider allzu oft läuft: Viele M usiker haben
tatsächlich idealistische A nsprüche an ihr
W erk und verstehen sich als K ünstler m it
einer Message. N ehm en w ir an, die haben
bis zu dem Punkt, wo sie bei m ir im Studio
sitzen, sauber gearbeitet. N u n h ö ren wir
ihren M ix, u n d ich sage: „Jungs, ich m ag
diese A ufnahm e w egen ihres natürlichen
K langs u n d d er ausbalancierten D y n a-
m ikverhältnisse.“ D ann frage ich: „W ie
konkurrenzfähig und erfolgreich soll eure
P latte sein, wie viel d a rf an ih r h e ru m -
gedreht u n d nivelliert w erden, dam it sie
lauter und auffälliger
wird?“ D ann heißt es
fast im m er: „N ein,
b lo ß sow as n ich t;
w ir w o llen u n se re
M usik nicht beschä-
digen.“ Ich selbst halte Pegel, so lange
er n ich t zu n ied rig liegt, für zw eitran -
gig. A lso m ach en w ir n u r ein bisschen
was, den n w enn’s um Pop geht u n d der
Pegel ist zu niedrig, m ein en die Leute,
es stim m e etwas nicht. O kay, w ir ferti-
gen also eine Test-Disc, und am nächsten
M orgen h än g t die B and verzw eifelt am
Telefon: W arum ist die Platte nicht so laut
wie irgendeine andere von d er K onkur-
renz? Das passiert laufend. N u n haben sie
Angst, denn es reicht nicht m ehr, wie im
Studio einfach die Lautstärke aufzudrehen,
so dass m an körperlich angeregt ist und
m eint, die M usik tue dies. Sie soll diesen
Eindruck auch bei kleinen Pegeln liefern.
Am Schluss wird oft nachgearbeitet und der
hehre Idealismus dem M arketing geopfert,
weil jeder sein Album gerne irgendwann an
m einer M egaseller-W and sehen will.
I
Traurig, u n d dann m uss m an das G anze
w om öglich f ü r iT u n es & Co. auch noch
in M P 3 m it n ied rig er D a te n ra te a b lie -
fern , oder?
Richtig, dafür schm eißt m an 75 Prozent
der Inform ation weg, denn Pop w ird ja in
der Regel bei 24 Bit W ortlänge u n d 44,1
oder 48 K ilohertz A btastrate produziert.
Es bleiben bei d en ü blichen M P 3-A uf-
lö su n g en also ru n d 25 P ro zen t fü r die
Musik. D ann kom m en die Dow nload-A n-
bieter zu uns und fragen: „W ie können wir
innerhalb dieser Lim itierung das klangli-
che Ergebnis verbessern?“ W ir bekam en
v o n d er CD , w en n sie rich tig gem acht
wurde, prim a Klang. Jetzt arbeiten wir m it
„M Fit“, einem spezialisierten Program m ,
u n d k o n n te n so aus d em M P 3 -S o u n d
n o ch was ‘rausquetschen, aber die feh-
lenden 75 P rozent zurückholen, das ver-
m ögen auch wir nicht.
I
A ber nun g ib t’s ja die „G egenrevolution“
in Form von H ochbit. B ra u ch t’s dafü r ein
neues M asterin g?
N a, u n b ed in g t. G ru n d sätzlich gilt für
H D -A u fn ah m en u n d -M ixe ja dasselbe
wie für die kleineren Form ate. A uch n o r-
m ale C D -Q ualität profitiert von H D -Por-
talen. D ie k an n zw ar n icht besser w er-
den, w enn m an sie auf 96 K ilohertz oder
was auch im m er hochrechnet, was m an
a u f d em A nalyzer
sieht, weil die F re-
q u e n z e n en tsp re-
ch en d frü h abfal-
len. A ber oft gibt es
die M usik ja ohne-
h in n icht m ehr in voller A uflösung, so n -
dern n u r noch als M P3, es sei denn, m an
kauft die CD. D raußen sieht’s doch inzw i-
schen so aus: E ntw eder h at m an iTunes
oder H D -D ow nloads. Statt sich zu freuen,
gibt’s da Typen, die ganz genau aufpas-
sen. W ollt Ihr ‘ne verrückte Story hören?
I
D a fü r sin d w ir hier!
Also, da ist diese exzellente K ünstlerin,
M elody G ardot. Ihr letztes, brasilianisch
orientiertes A lbum , an d em d er höchst
respektierte Kollege Al Schm itt gearbei-
tet hat, ist w irklich gelungen. D ie A uf-
nahm e w ar in 24 Bit/192 K ilohertz. W ir
haben dem nach das gesam te M astering
für H D n eu gem acht u n d abschließend
fertige Files im selben Form at überreicht.
D och da tauchen zw ischendurch im m er
m al S traßengeräusche u n d andere E in-
sprengsel auf, die einem das Gefühl geben
sollen, in Brasilien zu sein, sowie einge-
blendete Intros in ursprünglich kleinerer
A uflösung. N u n gut, das A lbum startet
m it solch einem u p g esam p elten In tro ,
erst dann geht’s zu nativen 24/192 ‘rüber.
U n d p ro m p t kam en B eschw erden: Das
sei gar nicht echtes 24/192 u n d so weiter.
» D i e M
u s i k e r
m
a c h e n K o m
p r o m
i s s e
f ü r d e n E r f o l g «
7/2014 STEREO 59